Erste Töne einer Zukunftsmusik
FAMILIA*FUTURA ist ein Festival für Familien und Familienutopien. Es findet am Wochenende vom 14.-16.09.18 im Zentralwerk Dresden statt. Wir gründen ein temporäres soziokulturelles Zentrum und laden Familien, interessierte Bürger*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*in-nen und politische wie soziokulturelle Akteure zu einem kreativ ausgestalteten Dialog ein. Ziel ist es, gemeinsam neue Strategien des Zusammenlebens zu entwickeln, die Familien ökonomisch, sozial und emotional entlasten. Hierfür wollen wir das Vorbild der hetero-
normativen Kleinfamilie gesellschaftskritisch beleuchten und alternative Lebensentwürfe erkunden. Wir wollen einen Austausch zwischen Expert*innen des familiären Alltags und Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Kunst initiieren und damit Impulse aus dem künstlerischen Prozess in den Alltag der Familienpraxis hineintragen.
Das Spektrum des Programms umfasst theatrale und performative Formate, Konzerte, Work-
shops, Installationen, Diskussionsrunden, Vorträge und eine umfassende Kinderbegleitung. Derzeit sind rund 30 Programmpunkte in Planung. Das Programm wird maßgeblich von lokalen und überregionalen Initiativen und Institutionen gestaltet, denen das Thema Familie ein ge-
meinsamer Nenner ist. Ein zweites Ziel ist die nachhaltige Vernetzung der Akteure. Für eine tiefergehende und kreative Auseinandersetzung haben wir zudem Künstler*innen und Wissen-
schaftler*innen angefragt, die sich auf je unterschiedliche Art mit den Themen Co-/Eltern-
schaft, Familien-Utopien, Queer-Feminismus, Emanzipation & Vaterschaft, Post-Wachstums-
theorien und Reproduktion befassen. Ein intensiveres Workshop-Angebot im Vorfeld des Fes-
tivals richtet sich an Kinder und Jugendliche aus nicht-hetero/normativen Familienverhält-
nissen. Insgesamt sind derzeit rund 60 Akteur*innen involviert.
Hintergründe
Ausgangspunkt für FAMILIA*FUTURA war unsere Performance zum Thema Mutterschaft, die wir im Jahr 2016 entwickelten. Auf Grundlage persönlicher Erfahrung und aktueller Diskurse entstand SUPRAMATER, ein partizipatives und unterhaltsam-bitteres Gameshow-Format (supramater.de). Die durchweg positive Resonanz auf unseren unkonventionellen Umgang mit dem Thema und dessen gesellschaftliche Brisanz hat uns motiviert, den Ausblick zu wagen und zu fragen:
Wie wollen wir in Zukunft Eltern sein? Und wohin bewegt sich das Konzept „Familie“,
wenn emanzipatorische Ziele verwirklicht werden?
Was uns bewegt ist die Beobachtung, dass Eltern heute sehr isoliert leben, zu zweit oder alleine den körperlichen, emotionalen, ökonomischen, sozialen und pädagogische Herausforderungen von Elternschaft begegnen müssen und damit zunehmend überfordert sind. Das Modell der Großfamilie ist am kapitalistischen Sozialstaat gescheitert. Die hieraus resultierende Konse-
quenz, den Begriff von Familie nicht mehr nur über Blutsverwandschaft und romantisierte Bilder von Paarbeziehung zu definieren sondern sozial zu denken, wird bislang kaum gezogen. Entsprechende Versuche scheitern nicht zuletzt an Geschlechterstereotypen und tradierten Vorstellungen des Zusammenlebens. Gesamtgesellschaftliche Probleme wie die Krise der Care-Arbeit oder die Renaissance der Geschlechterungerechtigkeit werden ins Private abgeschoben und auf dem Rücken der romantischen Zweierbeziehung ausgetragen. So wird die Erwerbs-
arbeit der Frau wird in weiten Teilen der Gesellschaft nach wie vor als Bedrohung des Familien-
zusammenhalts und der Erziehung der Kinder empfunden. Zugleich ist sie für viele Familien eine ökonomische Notwendigkeit. Die Vorstellung das Familienleben mit nur einem Gehalt bestreiten zu können erweist sich als zunehmen schwierig. Mütter wie Väter werden heute stärker denn je mit paradoxen Rollenerwartungen konfrontiert. Verlässt man die hetero/nor-
mativen Pfade, wird Elternsein nochmals schwerer. Polyamore, homo- und transsexuelle Eltern, Alleinerziehende und Patchworkfamilien müssen stets mit dem Stigma des Ungenügens kämpfen. Aus diesem Grund wird ein thematischer Schwerpunkt das Erkunden alternativer und intergenerationaler Praxen des familiären Zusammenlebens sein. Denn oft ist es der Umweg ins Andere, der uns neue Wege zu uns selbst aufzeigt.
Mit unserem Festival-Format wollen wir die isolierten Lebenswelten temporär verbinden und ein Forum schaffen, das aus dieser Not eine kreative Tugend macht: Das Thema Familie spricht fast alle Bürger*innen an, der Festival-Charakter erleichtert Zugang und Teilhabe, die Pro-
grammbeiträge liegen auf einem Spektrum von wissenschaftlicher und politischer Theorie zu lebensweltlicher und künstlerischer Praxis. Die Kurzlebigkeit des Events erlaubt es, eine wohl-
kuratierte und immersive Welt zu schaffen. Die Einbeziehung lokaler und überregionaler Ak-
teur*innen bringt zum Einen unschätzbare Erfahrung in das Projekt ein. Zum Anderen verspre-
chen wir uns eine längerfristige Vernetzung der verschiedenen Einzelinitiativen, die sich im Thema Familie treffen. Als Ergebnis erwarten wir zusätzlich zu einer nachhaltigen Vernetzung auch künstlerische Arbeiten (HipHop-Tracks, Radiofeatures, Installationen, Festivalzeitung & Videodokumentation). Wir wollen mit unserem Programm lokal Impulse setzen, z.B. durch ein pädagogische Rahmenprogramm für Kinder und Jugendliche aus nicht-hetero/normativen Fa-
milien und Ein-Eltern-Familien. Nach der letzten Bundestagswahl sehen wir die wachsende Notwendigkeit, diese Diskurse offensiv zu führen und uns gerade in Sachsen für Diversität stark zu machen. Die Familienpolitik, die dem Wahlprogramm der AfD zu entnehmen ist, sehen wir als die absolut falsche Antwort auf völlig relevante Probleme. Der Modellcharakter unseres Vorhabens liegt vor allem in seiner utopischen Prämisse:
Das geht auch anders! Und zwar besser.
Für weitere Informationen und Anfragen, bitten wir um Kontaktaufnahme: festival@wildepferde.net